Unsere Firmen (Airbus, Liebherr, ZF, MTU...) liefern Waffenteile nach Indien und Pakistan. Diese beiden Länder haben sich bereits vier Mal bekriegt. Sind unsere Waffen nicht wie Öl ins Feuer?

Es gab bereits vier indisch-pakistanische Kriege.
Die Bodenseeregion liefert dennoch weiter Waffen.

DER SPIEGEL 17.07.2012
Indien ist der größte Waffenkäufer der Welt. Auch deutsche Rüstungskonzerne wollen an den Milliardenaufträgen mitverdienen. Sie haben Tricks gefunden, Exportbeschränkungen zu umgehen - und die Bundesregierung schaut weg. Jetzt regt sich Widerstand dagegen.

Bei den Rüstungskäufen ist  Indien jetzt schon eine Großmacht: Für die kommenden zehn Jahre sind Käufe im Wert von mindestens 100 Milliarden Euro geplant. Allein im vorvergangenen Jahr wuchs der indische Verteidigungshaushalt um 34 Prozent, in diesem Jahr wurde er um fast 18 Prozent erhöht. Es ist ein gigantisches Geschäft, an dem deutsche Rüstungskonzerne mitverdienen wollen.

Deutschland wiederum ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt, knapp hunderttausend Menschen arbeiten in dieser Branche. Dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge hat die Bundesrepublik mit elf Prozent am konventionellen Waffenhandel so viele Rüstungsgüter exportiert wie Frankreich und Großbritannien zusammen, obwohl die beiden Länder als weit weniger restriktiv gelten als Deutschland.

Doch bislang lief es für die deutschen Hersteller nicht gut in Indien: Das Land ist kompliziert, Korruption ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft, und mehrere Unternehmen haben sich in diesem undurchschaubaren Geflecht verheddert. Vor fünf Jahren stornierte Neu-Delhi eine Hubschrauberbestellung bei EADS wegen Korruptionsermittlungen, die Schweizer Rheinmetall-Tochter Rheinmetall Air Defence ist derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vom indischen Rüstungsmarkt ausgeschlossen.

"Der letzte wirklich große Deal eines deutschen Anbieters mit Indien war der Kauf von vier U-Booten der Klasse 209 im Jahr 1989", erinnert sich Rumel Dahiya vom Institute for Defence Studies and Analyses, einem vom indischen Verteidigungsministerium gegründeten, nach eigenen Angaben unabhängigen Institut in Neu-Delhi. Dahiya, pensionierter Brigadegeneral, erklärt, worauf es Indien ankommt: "Wir wollen so viel Technologietransfer wie möglich und so viel wie möglich in Indien bauen, damit unsere Rüstungsindustrie in Zukunft unabhängig wird von Importen."

Laut indischem Recht müssen bei Waffengeschäften mindestens 30 Prozent der Umsätze in Indien erfolgen. Indien sichert sich auf diese Weise nicht nur einen Teil der Wertschöpfung, sondern auch das Aneignen von Wissen.

Was nach der unverhohlenen Absicht klingt, Produkte ausländischer Hersteller künftig selbst herzustellen, ist für die deutschen Rüstungshersteller durchaus ein Segen. Denn das deutsche Außenwirtschaftsrecht sieht Exportauflagen für Rüstung vor, die im Vergleich zu denen anderer Länder als restriktiv gelten. Die Unternehmen nutzen daher Schlupflöcher: Nur zu gern gründen sie Gemeinschaftsunternehmen mit Firmen in den Zielländern, um dort zu produzieren. Einzelteile, die dorthin geliefert werden, unterliegen nicht den strengen Vorschriften, die für fertige Rüstungsprodukte gelten.

"Eine Kontrolle von deutschen Waffenexporten findet nicht statt"

In der SPD, bei den Grünen und den Linken regt sich Widerstand gegen diese Praxis. "Eine Kontrolle von deutschen Waffenexporten findet faktisch nicht statt", sagt Linken-Außenpolitiker Jan van Aken. "Und wenn es mal schwierig wird, ist die Industrie schnell dabei, die Produktion gleich ins Zielland auszulagern."

Grünen-Politikerin Katja Keul, Mitglied im Verteidigungsausschuss, kritisiert, dass die Regierung über den Bundessicherheitsrat grundsätzlich hinter dem Rücken des Parlaments über Rüstungsexporte entscheide. "Der Deutsche Bundestag erhält nicht einmal nach Erteilung einer Genehmigung Auskunft über den Vorgang", sagt sie. "Die Verlagerung von Produktionsstandorten deutscher Rüstungsfirmen ins Ausland kann man zwar nur schwer kontrollieren, die Regierung hat nur leider in Vergangenheit sogar dabei geholfen, indem sie Produktionslizenzen für Standorte im Ausland auch noch aktiv genehmigt hat."

Es gehe nicht darum, Schwarz-Gelb die Schuld zuzuschieben oder sich vorhalten lassen zu müssen, dass es unter Rot-Grün seinerzeit nicht besser war. "Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden, die eine wirksame Kontrolle ermöglicht."

Grund für den Ärger sind neben der möglichen Panzerlieferung nach Saudi-Arabien und der anfrage aus Indonesien nach gebrauchten Leopard-2-Panzern die wachsenden Bemühungen deutscher Waffenlieferanten, Geschäfte unter Umgehung von Auflagen in Indien zu machen. Auch in der Union und in der FDP finden sich einzelne kritische Stimmen, wie zum Beispiel gegen die Absicht der Bundesregierung, Rüstungsexporte zu vereinfachen. "Waffen sind kein Gut wie jedes andere", sagt CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz. "Aus guten Gründen sollte unsere Rüstungsexport-Politik restriktiv bleiben", mahnt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.

Deutschland will im indischen Milliardengeschäft mitmischen

Doch von Zurückhaltung keine Spur. Deutschland will im indischen Milliardengeschäft mitmischen. EADS hofft zum Beispiel nach wie vor auf einen Auftrag um einen der größten Waffendeals in der Geschichte: Indiens Luftwaffe will 126 neue Kampfjets in Dienst stellen. Zwar ging der Zuschlag für Vertragsgespräche an den französischen Konkurrenten Dassault, doch da noch nichts besiegelt ist und die Kosten für das französische Modell sehr niedrig, womöglich zu niedrig, angesetzt wurden, hat man die Hoffnung auf eine neue Ausschreibung noch nicht aufgegeben.

Die indische Marine will außerdem neue Mehrzweckhubschrauber kaufen. Auch hier bietet EADS mit. Zudem liefert der Konzern Komponenten für den gemeinsam mit den Indern entwickelten Hubschrauber "Dhruv", der über die Fähigkeit verfügt, Landminen auszulegen. Die Ausfuhr dieser Komponenten unterliegt nicht den Auflagen für Rüstungsexporte.

Um vor Ort zu sein, hat EADS unter anderem in Bangalore ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aufgebaut. "Wir sehen Indien nicht nur als Partner, sondern auch als ein Fertigungszentrum, wo solche Systeme zusammengebaut und gegebenenfalls in andere Länder exportiert werden", heißt es im Unternehmen.

Neben EADS sind nahezu alle deutschen Rüstungshersteller in Indien aktiv:

  1. Atlas Elektronik will indische Torpedos modernisieren. Manager Volker Paltzo sagte defenseworld.net, man wolle Partner von indischen Unternehmen werden und auf diese Weise "das beste aus beiden Welten machen".
  2. Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann [mit Motoren aus Friedrichshafen und Elektronik aus Konstanz] hat 2011 einen Kooperationsvertrag mit dem indischen Konzern Ashok Leyland Defence unterzeichnet, um für den indischen wie auch den internationalen Markt "Artilleriesysteme, Gefechtssysteme, gepanzerte Radfahrzeuge, Bergungsfahrzeuge, Ausbringungssysteme für Brücken und andere ähnliche Produkte" zu entwickeln.
  3. Diehl Defence, Hersteller von Flugkörper- und Raketensystemen, unterhält ein Verbindungsbüro in Indien, das laut Pressemitteilung Ende März "in Anwesenheit von Vertretern der Botschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie von hochrangigen indischen Repräsentanten" eröffnet wurde.
  4. Indien ist - wie Nachbarland und Erzfeind Pakistan - am deutschen U-Boot-Modell [mit Motoren aus Friedrichshafen] der Klasse 214 vom Hersteller ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) interessiert. Atomar betriebene U-Boote hat Indien bereits mit russischer Hilfe in der Flotte, jetzt läuft eine Ausschreibung für modernere konventionell betriebene Einheiten. Was den Indern dabei wichtig ist: die Fähigkeit zum Abschuss von Marschflugkörpern.
  5. TKMS teilt mit, das Unternehmen arbeite an mehreren Projekten mit den Indern. "Allen gemeinsam ist die Forderung des Kunden nach Technologietransfer sowie die Forderung zur Integration von indischen Geräten und Anlagen. Das ist gängige Praxis", sagt ein Sprecher. Über eigene Produktionsstandorte in Indien verfügte TKMS nicht, arbeite aber seit langem erfolgreich mit lokalen Werften und Zulieferern zusammen. "Indien repräsentiert einen wachsenden Markt mit hohen technologischen Anforderungen." Man arbeite international. So habe das Unternehmen 2010 den Auftrag für die Lieferung von Aufbauten für eine neue indische Korvette erhalten. "Die Materialpakete für diese Aufbauten werden bei Kockums in Schweden zusammengestellt und gemeinsam mit dem Kunden im Rahmen eines umfangreichen Technologietransfers in Kalkutta auf die zwei Korvetten aufgebaut."

Sorge bereitet den Kritikern im Bundestag die Frage nach dem Verbleib deutscher Rüstungsgüter. Demnach sei der "Endverbleib" im Käuferland nur unzureichend sichergestellt. Zwar überprüfe die Bundesregierung "alle vorhandenen Informationen" darüber, ob ein Empfängerland deutsche Waffen weiterexportiere. Kontrollieren könne man das aber nicht.

 


In einem alten Buch steht: "Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind." Weiter
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Papst Franziskus am 3.Juni 2019 bei einer Begegnung mit den Teilnehmenden der Vollversammlung der katholischen Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO).

Ähnlich Papst Franziskus auch am 21. Juni 2015: „Manager, Unternehmer die sich Christen nennen und die Waffen herstellen! Das macht mich ein bisschen misstrauisch: Sie behaupten, sie seien Christen!"  Was die Kirchen sonst zur Rüstung sagen: 1. Bischöfe, 2. Diözese, 3. GKKE, 4. Radio, 5. EKM, 6. EKHN, 7. EKD

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